Teamentwicklung auf der Neointensivstation

 

Die Neointensivstation am Klinikum Aschaffenburg setzt auf speziell ausgearbeitete Teamschulungen und Supervision. Dr. Christian Wieg ist Chefarzt für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin in Aschaffenburg und gibt in einem kurzen Interview Einblicke in das Modell vor Ort. Außerdem verrät er, warum die Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen nur zu empfehlen sind.

Dr. Christian Wieg wurde 1959 in Hamburg geboren, hat dort auch sein Medizinstudium absolviert und im Jahr 1985 seine Approbation erhalten. Anschließend folgte die Facharztausbildung im Altonaer Kinderkrankenhaus bei Prof. Blunck und Dr. Pörksen auf der Neointensivstation. In der Kinderklinik Hanau war er dann als Oberarzt tätig, bis er im Jahr 2000 über die Kinderkardiologie in Gießen in Aschaffenburg zunächst als leitender Oberarzt tätig war; seit 2006 ist er Chefarzt für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin.  

Sie haben sich auf der Intensivstation am Klinikum Aschaffenburg ausgiebig mit der Schulung und steten Fortbildung Ihres Teams auseinandergesetzt – warum haben Sie sich zu diesem Schritt entschlossen?

Aufgrund der durch den G-BA-Beschluss notwendigen Personalentwicklung mit deutlicher Vergrößerung des Pflegeteams, kam es auf Station zu einer erheblichen Störung der Teamprozesse in der Pflege, was zusätzlich eine Fluktuation der neueingestellten Mitarbeiter zur Folge hatte. Dadurch entwickelte sich unter anderem eine erhöhte Dienstbelastung, gepaart mit wiederholten Einarbeitungsmaßnahmen, so dass die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich in den Keller ging.

Es bestand Handlungsbedarf! In der NICU-Studie, die unter anderem die Mitarbeiterzufriedenheit beleuchtet hatte, zeigte sich, dass wir unterhalb des Durschnitts lagen. Auch, wenn aus den Elternbefragungen keinerlei Probleme ersichtlich wurden, das Team hatte nicht mehr optimal zusammengespielt.

Woher rührt der grundsätzliche Bedarf an diesen Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen?

Die Teambildung in der Pflege ist in der Neonatologie aufgrund der sehr hohen Patientenidentifikation ein sehr sensibler Prozess. Es muss detaillierte Einigkeit über die Pflegemodi bestehen, neue Mitarbeiter benötigen eine überdurchschnittlich lange – zwischen drei- bis sechsmonatige – Einarbeitungszeit. Zudem sind wir im Bereich der Pflege auf ein hohes Maß an Teamkompetenz angewiesen, auch um letztlich nicht in eine Rechtfertigungsposition zu kommen.

Besonders die Stationsleitung ist hier gefordert. Sie benötigt zudem eine hohe Akzeptanz der anleitenden Mitarbeiter, die meist sehr erfahren sind und sehr hohe Ansprüche an ihre Arbeit haben. Sie merken, die Ansprüche und Herausforderungen an unser Team sind hoch, teilweise auch sehr belastend – daher sind regelmäßige Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen unabdingbar erforderlich.

Wie kann man sich die Schulungen in der Praxis vorstellen?

Der erste Schritt war die Identifikation und Einteilung unseres Teams in unterschiedliche Gruppen, entsprechend der jeweiligen Kommunikationsebenen – auch um hier Probleme im Kommunikationspfad aufzudecken und letztlich beheben zu können: Da waren dann also die „Stationsleitungsgruppe“, die Gruppe „Fachpflege Intensivmedizin“, die „Anleiter bzw. ‚alte Hasen‘“ und „die Neuen“.

Primär fanden zunächst Gruppengespräche mit der Psychologin des Teams und mir statt, allerdings wurde schnell klar, dass unbedingt eine externe Begleitung mit entsprechender Distanz notwendig war. Hier kam dann schließlich die Hamburgerin Doris Rohde mit ihrem hochprofessionellen Coaching für das Leitungsteam und die Anleiter ins Spiel, außerdem wurde ein Supervisionsprogramm mit regelmäßigen Terminen für das ganze Team etabliert. Ein von Frau Rohde durchgeführter Fortbildungstag unter dem Motto „Kommunikation und Elternführung“ bildete den Abschluss für das Teamprojekt. Die Supervisionsrunden werden allerdings nach wie vor fortgeführt und sind in unserem Klinikalltag fest etabliert.

Warum können Sie die Schulungsmaßnahmen nur weiterempfehlen?

Es steht außer Frage, dass eine Teambildung mit einem hohen Anteil von neuen Mitarbeitern, die plötzlich in „eingeschworene  Teams“ mit sehr hohen Qualitätsansprüchen kommen, extrem schwierig ist. Besonders die Elternführung ist in der extrem abhängig von einem einigen Team aus Ärzten und Pflegenden, die empathisch und gelichzeitig professionell die Eltern in deren Ausnahmesituation abholen können – grundsätzlich gilt das natürlich für alle Bereiche.

Das Ziel muss stets lauten: „Sie gehen als Familie mit Ihrem Baby nach Hause“ – und dieses Ziel muss wirklich gelebt werden, die Beratung und Stärkung der Eltern darf nicht als Bevormundung erfolgen. Das funktioniert nur, wenn die Teammitglieder sich nicht profilieren müssen und eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit erreicht ist.

 

Anja Uftring ist Stationsleitung auf der Neo-Intensivstation am Klinikum Aschaffenburg und von den Schulungsmaßnahmen sowie der regelmäßig stattfindenden Supervision überzeugt.

„Ein ausgeglichenes Team ist ein wichtiges Element in einer familienorientierten Pflege!“Anja Uftring, Stationsleitung Neo-Intensivstation am Klinikum Aschaffenburg

„Das Pflege-Team der Päd 4/6 war bereits zu Beginn meiner Leitungstätigkeit ein sehr großes Team von über 40 Mitarbeiterinnen, die zwischen 20 und 60 Jahre alt sind – und der G-BA- Beschluss sieht eine weitere Team-Aufstockung vor, um eine entsprechende Versorgung der Patienten weiterhin zu gewährleisten. Damit werden zukünftig über 50 Kinderkrankenschwestern und -Pfleger auf unserer Station  arbeiten.

Allein die Einarbeitung vieler, meist frisch examinierter, Pflegekräfte, sowie deren Integration in das bestehende und bereits gefestigte Team, stellt für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar. Mitarbeiter einer neonatologischen Intensivstation sind meist mit einer großen emotionalen Stärke versehen und sind es gewohnt eigenständig Entscheidungen zu treffen. Wir haben einen hohen Anspruch an uns selbst, unsere Arbeit, aber auch an unsere Umgebung – was wiederum den Druck auf andere Mitarbeiter erhöht. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Situation ohne professionelle Unterstützung nicht zu bewältigen ist.

Für mich persönlich zeigte sich in der Coaching- und Supervisionsmaßnahme ein zweifacher Mehrwert: Ich lerne viel über meine eigene Rolle als Führungskraft und habe eine deutliche Stärkung durch das persönliche Coaching mit Doris Rohde erfahren. Ihre Ausführungen haben mir geholfen mein Team und vor allem auch deren Verhalten besser einordnen zu können. Das hat sich nachhaltig auf mein Führungsverhalten ausgewirkt. Unabhängig von der Kommunikation innerhalb des Teams habe ich aber auch gelernt, dass es für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedliche Motivationsstrategien braucht.

Für das Team war es sehr wertvoll zu erfahren, dass es durchaus unterschiedliche „Typen“ unter Kollegen gibt, und diese gilt es zu erkennen und damit umzugehen. Frau Rohde hat es im Rahmen des Coachings wunderbar verstanden und eindrucksvoll aufgezeigt, wie diese verschiedenen „Kollegen-Typen“ aussehen. Gegenseitiges Verständnis und ein offener Umgang miteinander sind daher die Zielsetzung, die sich unser Team in den Supervisionen selbst zum Ziel gesetzt hat.

Eltern nehmen Stimmungen wahr!

Übrigens: Im Rahmen des Team-Buildings sind auch die Eltern ein wesentlicher Faktor! Eltern sind sehr sensibel für die jeweilige Stimmung auf Station. Sie spüren sehr genau, wenn es im Team zu Uneinigkeit kommt. Dies kann zu Unsicherheiten bei den Eltern führen und lässt Fragen wie „Wird mein Kind hier noch gut betreut?“ sehr schnell keimen. Teammitglieder, die es verstehen, offen miteinander zu reden und sich gegenseitig Feedback zu geben, treten auch den Eltern gegenüber souverän auf. Somit ist ein stabiles und ausgeglichenes Team aus Pflegekräften und Ärzten, neben der Medizin, ein wichtiges Element einer familienorientierten Pflege und Betreuung von Frühgeborenen und kranken Neugeborenen.“